Ausstellungen "Novum Filmplakate"

Café Krèm (Riesengasse 10, 63739 Aschaffenburg)

Filmplakate der Gruppe „NOVUM“ aus den 1960ern

Als Werbemittel haben Filmplakate vor allem ein Ziel: Eine möglichst große Zahl Zuschauer in die Kinosessel zu befördern. Mit gutem Grund lächeln uns deswegen von vielen Postern Stars in Großaufnahme entgegen – meistens ist das einzige Versprechen, das uns die Marketingabteilung machen kann, dass Julia Roberts über die Leinwand tingelt. Einen ganz anderen Ansatz bieten die Plakate aus der Sammlung Welter, welche zur Zeit im Café Krèm ausgestellt werden. Die Poster aus den 60er Jahren wurden damals begleitend zur Programmfilmreihe vor allem des Atlas-Filmverleihs von der deutschen Grafiker-Gruppe „novum“ gestaltet. Ihre Plakate, Collagen aus verfremdeten Fotos, Zeichnungen und aufwändiger individueller Typographie, fangen in den besten Fällen den Charakter des Films ganz und gar ein und in der spürbaren Begeisterung des Künstlers für „seinen“ Film findet sich oft ein besserer Grund, ins Kino zu gehen, als uns ein simples Foto des Hauptdarstellers liefern könnte. Dorothea Fischer-Nosbischs Interpretation des „blauen Engels“ etwa ist so verrucht und verführerisch, dass sie uns spielend klar macht, was Professor Rath im Film schwer zu schaffen machen wird. Orson Welles in „Der dritte Mann“ wird reduziert zur bloßen Bedrohung aus der Dunkelheit. Das Plakat zu Bergmans „Das Schweigen“ kommt sogar ganz ohne Schauspielerbilder aus. Es zeigt Figuren, die mit weit aufgerissenen Augen etwas sehr Entferntes ansehen – aber eben nicht einander. Diese Nähe zur Kunstfertigkeit der beworbenen Filme macht die Ausstellung in doppelter Hinsicht lohnenswert: Als faszinierendes Zeitzeugnis – aber auch als Hinweis, wie viel mehr Filmplakate eigentlich sein könnten.

Der Text stammt aus dem Programmheft des Casino-Kinos in Aschaffenburg vom Dezember 2005 anlässlich einer damaligen Ausstellung von „novum“-Plakaten, verantwortlich zeichnete die „Initiative Filmkunst Aschaffenburg e.V.“

 

Paradiesische Verhältnisse

Die Plakate, die zwischen den Jahren 1953 und 1974 für die Filmkunstmeisterwerke des kleinen Göttinger Verleihs „Neue Filmkunst“ entstanden, wurden damals weltweit mit Preisen ausgezeichnet und in Ausstellungen gefeiert. Das Geheimnis des Erfolgs war einfach: Der Auftraggeber ließ den Künstlern freie Hand. Bis zum Abgabetermin hatten sie oft Wochen oder Monate Zeit –paradiesische Arbeitsverhältnisse für die Gestalter, und mit entsprechenden Ergebnissen. Hillmann und seine Kollegen brachten die deutsche Plakatkultur so auf ein Niveau, das zuletzt in den zwanziger Jahren erreicht worden war. 1959 griff ein weiterer Filmverleih die ehrgeizige Idee der Neuen Filmkunst auf: Der Duisburger Kinobetreiber Hanns Eckelkamp bekam als Mitarbeiter des Verleihs Sonder-Film die Chance, den Western „12 Uhr mittags“ erneut in die Kinos zu bringen. Er setzte sich dafür ein, dass der Film nicht nur in die Action-Kinos kam. Für Ankündigung des Streifens in den Filmkunsttheatern ließ er von dem Gestalterehepaar Fritz Fischer und Dorothea Fischer-Nosbisch eigens ein neues Plakat gestalten –und tatsächlich spielte der Film in den anspruchsvollen Häusern nun deutlich mehr ein als zuvor. Hanns Eckelkamp erkannte das Potential der Wiederaufführungen und gründete 1960 den Atlas Filmverleih. Atlas ging sogar noch einen Schritt weiter als zuvor die Neue Filmkunst: Eckelkamp gab bei den Grafikern nicht mehr nur die Plakatgestaltung in Auftrag, sondern verpflichtete sie für sämtliche Werbemittel eines Filmes –vom Poster bis zum Vorspann. Dafür engagierte er vor allem Grafiker der Designergruppe "novum", einem 1958 durch die Initiative der Fischer-Nosbischs entstandenen Zusammenschluss der besten deutschen Gebrauchsgrafiker jener Zeit, darunter Hans Hillmann, Hans Michel und Günther Kieser, Karl Oskar Blase und Wolfgang Schmidt.

Von Jens Müller, 23.09.2008

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